Faszination Bouldern – Interview Thomas

Bouldern und Klettern ist zum Massenphänomen geworden. Immer mehr Menschen begeistern sich, wie ich finde zu Recht für den Sport. Die Schwelle mit dem Klettern und / oder Bouldern zu beginnen wird, dank der neuen Hallen, immer niedriger. War die Kletterhalle früher noch ein dunkler Ort, sind sie heute hell, freundlich und ein Treffpunkt um gemeinsame Zeit zu verbringen. Doch weshalb steigt die Faszination für den Sport? Was bewegt Sportler dazu, mit dem Training zu beginnen?

Ich möchte diesem Phänomen etwas näher kommen. Vom Spontanen bis Ambitionierten soll jeder zu Wort kommen.

Wie lange bist du schon am Klettern/Bouldern und wie kamst du dazu?

Ich klettere seit 2014. Ausschlaggebend war vermutlich ein Thailand-Urlaub zwei Jahre zuvor. Zusammen mit Kathi, meiner Frau, haben wir damals einen Schnupper-Kurs Seilklettern auf der Halbinsel Railay gebucht und erste Erfahrungen an fantastischem Kalkstein in traumhafter Kulisse gesammelt. Trotz schmerzhaftem Muskelkater in den Unterarmen an den Folgetagen und anfangs eher mäßig ausgeprägtem Talent, hat der Kurs sehr viel Spaß und damit auch Lust auf mehr gemacht. Gedauert hat es dann trotzdem noch ganze zwei Jahre, bis Kathi meine Studien-Freunde dazu animierte mir doch zum 30. Geburtstag einen Gutschein für einen Toprope-Kurs zu schenken. Dem folgten dann rasch der Vorstiegs-Kurs und anschließend die ersten Ausflüge an die lokalen „Anfänger“-Felsen Eschbacher Klippen oder den Steinbruch in Schriesheim. Nach einem Kletterurlaub im Paklencia Nationalpark in Kroatien war dann die Begeisterung endgültig entfacht.

Du bist ja ohne Seil viel stärker als mit, woran liegt das?

Die Antwort ist recht einfach: mir fehlt es schlichtweg an Erfahrung beim Seilklettern. Die Kletterlaufbahn habe ich zwar am Seil gestartet, jedoch ist mir nach nur einem halben Jahr schon meine Kletterpartnerin ausgefallen. Kathi war schwanger und schnellen Ersatz gab es mangels Vernetzung in der Frankfurter Kletterszene auch nicht. Da ich die Kletterschuhe keinesfalls gleich wieder an den Nagel hängen wollte, entschied ich mich für das Bouldern. Das war mit Kleinkind dann auch deutlich praktikabler, so dass ich den Fokus auch längerfristig auf das Bouldern gelegt habe. Der Spezialisierung auf das Bouldern verdanke ich nun – wie ich finde – ganz gute technische Fertigkeiten, ein vielfältiges Bewegungsrepertoire, gute Oberkörperkraft und passable Fingerkraft. Um ein erfolgreicher Seilkletterer zu werden fehlt mir alles, was den Unterschied zum Bouldern ausmacht: Kraftausdauer, Effizienz (kraftsparendes Klettern, Rastpunkte finden, gute Clip-Positionen nutzen) und die mentalen Fähigkeiten. Aber wer weiß, vielleicht wir das ja noch was…

Welche Gebiete sind deine Lieblingsgebiete und welche haben dich enttäuscht?

Beim Bouldern ist sicherlich Fontainebleau die unangefochtene Nummer eins für mich. Unendlich viele herausragende Probleme verschiedenster Stile & Schwierigkeiten auf einem Fleck – und das alles bei fantastischen Rahmenbedingungen, gerade für Familien mit Kindern! Abgesehen davon war auch Brione im Valle Verzasca (Tessin) ein Highlight für mich. Hier gibt es vielfältige Kletterei an Gneiss, auf Almwiesen, in Wäldern oder im Bachbett des Verzasca-Tals. Große Enttäuschungen sind bisher ausgeblieben. Dies kann allerdings auch daran liegen, dass wir aufgrund der familiären Situation mit zwei Kindern bisher keine Experimente bei Kletterdestinationen gewagt haben. Was das Seilklettern angeht, mag ich mir ehrlich gesagt noch gar kein Urteil erlauben, da ich Stand heute zu wenig gesehen habe.

Klappt das gemeinsame Reisen mit Kindern gut? Stehen da Planungen zu Boulderzielen im Vordergrund?

Grundsätzlich haben wir reisebegeisterte Kinder, die nicht mal vor längeren Autofahrten zurückschrecken. Die Voraussetzungen sind also sehr gut. Nichtsdestotrotz müssen bei der Urlaubsplanung natürlich verschiedene Interessen mit berücksichtigt werden. Mindestens ein mal im Jahr muss es ans Meer oder einen See zum Baden gehen. Landschaftlich und kulinarisch reizvoll muss der Urlaubsort natürlich auch sein. Auch wenn der Rest der Familie Spaß am Klettern findet, bin ich wohl der einzige für den es Priorität hat. Da gilt es Kompromisse zu finden. Zum Glück gibt es viele fantastische Urlaubsbadeorte, wo zufällig auch Felsen stehen…

Wie integrierst du dein Training in den Familienalltag? Wie funktioniert das insbesondere zu Hause am Board?

Das klappt eigentlich recht problemlos. Da ich viel Zeit mit Arbeit & Familie verbringe, bleibt zwar grundsätzlich nicht viel Freizeit übrig. Allerdings ist das Klettern mein einziges Hobby. Und das fortgeschrittene Alter sorgt dafür, dass mein Körper ausgiebige Pausen benötigt. Im Endeffekt „trainiere“ ich also 2-3 mal die Woche. Je nach Jahreszeit/ Wetter geh ich davon 1-2x pro Woche drinnen oder draußen bouldern. Und am Hangboard zuhause trainiere ich einmal pro Woche. Da stehen dann ein paar Sätze Max-Hangs und auch etwas klassisches Krafttraining inkl. Klimmzüge auf dem Programm.

Sind die Kinder und/oder Partnerin auch gerne bouldern oder kommen andere Hobbies auf?

Kathi findet nach wie vor Spaß am Klettern und Bouldern, räumt dem aber keinerlei Priorität ein. Für sie stehen vor allem der soziale Aspekt und die Rahmenbedingungen im Vordergrund. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: wenn ich mal wieder bei winterlichen Bedingungen einen Boulder-Ausflug in den Odenwald wage, ernte ich lediglich Kopfschütteln. An einem Ausflug an die Sanddünen des Cul de Chien bei 20°C mit guter Gesellschaft zum Bouldern, Kaffee trinken und Tarte essen, findet sie hingegen sehr wohl Gefallen. Die Kinder sind sehr sportbegeistert, erfreuen sich jedoch grundsätzlich an vielen Aktivitäten. Klettern macht beiden Spaß und natürlich versuche ich sie auch oft mit einzubinden. Allerdings möchten wir, dass sie selbst entscheiden, welcher Freizeitbeschäftigung sie regelmäßig nachgehen. Aktuell ist das eher Ballet bzw. Fußball.

Welche Ziele verfolgst du beim bouldern? Arbeitest du an Projekten ?

Beim bouldern zählt bei mir das Gesamtpaket: Spaß & Freude an der Bewegung, Natur, Abschalten, Freunde, aber natürlich auch der Leistungsgedanke. Was die boulderspezifische Leistung angeht, möchte ich mich auf breiter Ebene verbessern, statt engstirnig einem bestimmten Grad nachzueifern. Ich höre immer wieder von vielen Leuten, dass sie entweder „Platten“ oder „Dächer“ oder „Leisten“ oder „Sloper“ überhaupt nicht können/mögen und daher auch nie klettern. Das ist okay, schränkt aber das Potenzial massiv ein. Mir macht das Bouldern vieler verschiedener Stile und an unterschiedlichen Strukturen & Neigungen Spaß. Sicherlich wäre es ein Traum, wenn ich im Laufe der nächsten Jahre noch den Grad 8A erreichen könnte. Noch schöner wäre es allerdings, wenn mir dies an lohnenden Bouldern verschiedener Stile gelingen würde. Konkrete Projekte habe ich derzeit tatsächlich nicht. Ich konnte in den letzten zwei Jahren viele schwerere Boulder im Odenwald und auch Taunus abschließen. Was übrig blieb war entweder zu schwer für das aktuelle Niveau oder zu hoch (Begleiter für Highballs sind derzeit schwer zu finden). Daher möchte ich mir in der kommenden Zeit v.a. verschiedene Sektoren in der Pfalz und auch neue Odenwald-Gebiete anschauen. Das nächste Projekt kommt bestimmt.

Meine härteste „Nuss“ ?

Sehr schwierige Frage. Ich habe bisher nur sehr wenige Boulder im Bereich 7B+/C begehen können. Am meisten Zeit habe ich sicherlich in Ironman (7B+) in Steinau investiert. Das waren mindestens vier Sessions und das ganze bei einem Boulder, der tendenziell eher meinen Stärken entspricht.

Hast du Vorbilder beim Bouldern ?

Nein, Personenkult ist mir tatsächlich fremd. Ich bewundere einzelne Kletterer eher für Ihre speziellen Eigenschaften: Adam Ondra für seine Intuition & Bewegungsvielfalt, Alex Honnold für seine mentale Stärke, Alexander Megos für seine unfassbare Kraft und Tomoa Narasaki für seine Explosivität & Koordination.

Lieber draußen oder drinnen?

Ganz klar draußen. Hallenbouldern macht auch Spaß, insbesondere mit Freunden und einem Bierchen danach. Aber Bouldern am Fels in der Natur ist für mich persönlich erfüllender.

Lieber Taunus oder Odenwald?

Auf diese Frage kann es nur eine diplomatische Antwort geben: beides. Im Odenwald gibt es meines Erachtens bessere Einzelboulder. Im Taunus hingegen gibt es an einigen Felsriegeln wie Herr Zhu oder Hauburgstein, mehrere schöne, wenn auch definierte Linien, die sich flowig klettern und gleichzeitig gut zum Training sind.

NoGos beim Bouldern?

Die absoluten No-Gos werden denke ich oft genug über soziale Medien geteilt: an nassem Fels klettern (v.a. Sandstein), übermäßiger Chalk-Gebrauch ohne dass anschließend geputzt wird, Müll hinterlassen, laute Musik hören, etc. Dem kann ich mich nur anschließen. Was ich persönlich in der Boulder-Community manchmal befremdlich finde ist die unter Locals teilweise vorherrschende Bigotterie, Doppelmoral und Verschlossenheit. Unter dem Deckmantel des Naturschutzes bzw. der Bewahrung heimischer Bouldergebiete gegen Veröffentlichungen eintreten und gleichzeitig über Soziale Medien Fotos/ Videos stolz Begehungen in „secret spots“ – am besten im Winter in Höhlen – posten, passt für mich einfach nicht zusammen. Für mich sollte gerade die Kletter-Community für einen offenen Austausch stehen und keine Gruppen ausschließen.

Was ich immer schon mal machen wollte?

Da gibt’s wahnsinnig viel und mir fällt es schwer nur eine Sache herauszupicken. Da mich sowohl das Reisen & Entdecken anderer Kulturen, wie auch das Bouldern in den Bann gezogen haben, würde ich gerne in den nächsten Jahren nach Südafrika fliegen – an den großen Granitblöcken in Llandudno an der Küste oder den verrückten Sandsteinblöcken in den Rocklands bouldern, in den Cape Winelands bei Stellenbosch den Wein und gutes Essen genießen & in Kapstadt in die südafrikanische Kultur eintauchen.

Keine Fotos im Beitrag? Dann schaut mal hier: https://www.instagram.com/thomas.wittkopp/

Der Alte

About the Author: Schiebekeks

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Klettert seit 1990. Nach vielen Jahren am Seil mit unzähligen Reisen mit und ohne Familie verstärkt am Bouldern.

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